Zylinderkopf planbearbeiten – Ja oder Nein? aus unserer technischen und rechtlichen Sicht

Sehr geehrter Kollege, Kunde, Sachverständige.

Da sich bei der Nachbearbeitung der Planfläche von Zylinderköpfen immer wieder Unsicherheiten, sowohl in technischer, als auch in rechtlicher Sicht, ergeben, sehen wir uns veranlasst, uns diesem Themenbereich zu widmen und Klarheit zu schaffen. Moderne Motoren sind gegenüber früheren Konstruktionen Präzisionsaggregate. Durch die Forderung nach immer mehr Leistung, Verminderung des Kraftstoffverbrauchs und günstigem Abgasverhalten werden die Konstruktionstoleranzen der einzelnen Motorkomponenten, sowohl in der Neufertigung, wie auch in der Instandsetzung, immer präziser. Jede Nacharbeit birgt eine Veränderung der Motordaten.

In der Vergangenheit hatte jede größere KFZ-Werkstatt eine eigene Planmaschine und plante ohne Rücksicht auf eventuelle Motordatenveränderung nach. Moderne Konstruktionen lassen eine derartige Nachplanung jedoch ohne weitere Maßnahmen nicht mehr zu. Ursprünglich kamen die Herstellervorgaben mit dem Einzug der Dieselmotoren in PKWs in den 80er Jahren. Damalige Wirbelkammermotoren hatten zähe Kammern in den Zylinderköpfen, die nicht, oder nur schwer, bearbeitbar waren.

Da die meisten normalen KFZ-Werkstätten nicht über die notwendigen technischen Ausrüstungen, wie Präzisionsmesswerkzeuge, Rauigkeitsprüfgeräte, Maschinen zum Nacharbeiten von Ventilen, Ventilsitzen, Vor- und Wirbelkammern, verfügen, gehen viele Hersteller dazu über, in ihren Reparaturanleitungen und Handbüchern die Nacharbeit ihrer Zylinderköpfe zu untersagen oder nicht zu empfehlen. Andererseits bieten die meisten Hersteller ein Austauschprogramm für Motoren und Zylinderköpfe an, bei deren Fertigung, entgegen der Vorgaben, nachweislich nachgeplant wurde. Nicht zuletzt dient diese Vorgehensweise dem Verkauf von Austausch- und Neuteilen aus dem werkseigenen Teileprogramm.

An den beiden Bildern ist deutlich zu erkennen wie die Oberfläche des Zylinderkopfes durch das Durchblasen beschädigt ist.
Vor allem Vertragswerkstätten richten sich nach den Vorschriften der Hersteller und lassen den Zylinderkopf nicht planbearbeiten. Sie schleifen mit irgendwelchen Handgeräten oder Schmirgelleine darüber und montieren den Zylinderkopf wieder nur um die Herstellervorschriften zu erfüllen. Die Folge ist dass die Zylinderkopfdichtung aufgrund der beschädigten Oberfläche nicht lange dicht hält. Ein minimales planen des Zylinderkopfes schafft hier die erforderliche Oberfläche und sichert dauerhaft eine korrekte Abdichtungen

Ein großes Problem ergibt sich, wenn sich aus den Herstellervorschriften ein Rechtsstreit ergibt. Leider lehnen sich die meisten Sachverständigen an die Herstellervorschriften an. Der streitgegenständliche Zylinderkopf wird zunächst nachgemessen. Bei Unterschreitung der Herstellervorgabe wird der ganze Schadenshergang, egal welcher Schaden eingetreten ist und ob tatsächlich ein Zusammenhang mit der Nachbearbeitung besteht, auf diese Tatsache zurückgeführt. Viele Sachverständige machen sich dann keine weiteren Gedanken über die weiteren technischen Zusammenhänge.

Wir hatten bereits Fälle in unserem Betrieb, bei denen ein Sachverständiger (Gutachten kann bei Bedarf angefordert werden) behauptete, dass durch das Nachplanen des Zylinderkopfes der Kolbendruck so hoch wurde, dass Zylinder und Kolben dadurch verschlissen sind. Leider müssen sich Richter an derartige Gutachten halten und danach urteilen.

 

 

Technische Ausführung zu diesem Thema:

Durch die Nachbearbeitung und den Verzug des Zylinderkopfes können sich folgende Änderungen und Problembereiche ergeben: Oberfläche, Verdichtungsverhältnis, Steuer-zeiten, Flucht der Nockenwellengasse, Abgasverhalten, Abstand Ventilteller – Kolben-boden, Über- oder Unterstand von Vor- und Wirbelkammer, Verzug der Ventilsitzringe

 

Technische Erklärung der einzelnen Veränderungen:

Oberfläche

Moderne Dichtsysteme fordern gewisse Oberflächenbeschaffenheiten bezüglich Rauigkeit, Welligkeit, Ebenheit und Porosität. Der wichtigste Parameter ist hier die Rautiefe, die mit Rz kleiner als 15 ym und Rmax kleiner 20ym vorgeschrieben ist. Mit herkömmlichen Planmaschinen sind diese Vorgaben nicht einzuhalten. Bei einigen Materialien ist die geforderte Oberfläche nur mit Diamantschneidwerkzeugen in PKD oder CBN Qualität zu erreichen. Ferner besitzen die meisten Betriebe, die Zylinderköpfe nachplanen können, keine Rautiefenmessgeräte und können somit die Vorgaben nicht kontrollieren.

Verdichtungsverhältnis
Durch die Nachbearbeitung eines Zylinderkopfes an der Dichtfläche ändert sich, vor allem an Benzinmotoren mit Brennraum im Zylinderkopf, das Verdichtungsverhältnis in sehr geringem Maß, je nach Materialabtrag. Diese Veränderung birgt bei älteren Motoren ohne Klopfregelung ab einem gewissen Bearbeitungsmaß (Erfahrungswert: ab ca. 0,3mm) die Gefahr, dass der Motor durch Selbstzündung klopft. Dadurch können Motorschäden entstehen. Bei modernen Motoren mit Klopfregelung wird der Zündzeitpunkt vom Steuergerät entsprechend verstellt, so dass kein Zündungsklopfen und dadurch kein Motorschaden entsteht. Bei der Überholung oder Austauschfertigung eines Zylinderkopfes wird die Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses durch Nacharbeit der Ventilsitze und Ventilkegel bzw. des Brennraumes wieder kompensiert, wozu normale Planbetriebe nicht in der Lage sind.

Steuerzeiten
Die Steuerzeiten werden nur bei sehr starkem Abplanen und bei Motoren ohne Feineinstellmöglichkeiten merkbar verstellt. Bei den meisten modernen Motoren können die Steuerzeiten ohnehin stufenlos eingestellt werden. Bei der normalen Planbearbeitung von 0,2 – 0,3mm kann nicht von einer erheblichen Steuerzeitverstellung gesprochen werden.

Flucht der Nockenwellengasse
Heutige Motorkonstruktionen haben oben liegende Nockenwellen mit Lagerung oberhalb des Zylinderkopfes. Da sich bei starkem Verzug des Zylinderkopfes nicht nur die Fläche zum Brennraum, sondern auch zur Nockenwellengasse verzieht, besteht ohne Nacharbeitung die Gefahr, dass die Nockenwellengasse nicht mehr fluchtet. Hier muss die Leichtgängigkeit geprüft bzw. die Nockenwellengasse nachgearbeitet werden.

Abgasverhalten
Rein theoretisch ändert sich durch jede Nachbearbeitung in sehr minimalem und unbedenklichem Maß das Abgasverhalten, so dass manche Hersteller aus diesem Grund eine Nachbearbeitung untersagen.

Abstand Ventilteller – Kolbenboden
Durch das Abplanen der Zylinderkopfdichtfläche ändert sich der Abstand von Ventilteller zum Kolbenboden im Gaswechseltakt. Vor allem bei Dieselmotoren ist der so genannte Ventilrückstand zu prüfen und zu korrigieren. Bei Benzinmotoren muss ab einem bestimmten Nachbearbeitungsmaß der Rückstand durch Nachbearbeiten der Ventilsitze und Ventilkegel korrigiert werden.

Über- oder Unterstand von Vor- oder Wirbelkammer
Ursprünglich kamen die Vorschriften der Hersteller mit dem Einzug von Wirbelkammermotoren in den 1980er Jahren. Diese Motoren hatten in den Zylinderköpfen Vor- oder Wirbelkammern eingebaut. Die Kammern mussten mit einem bestimmten, sehr engen Toleranzbereich von wenigen Hundertstel Millimetern zur Zylinderkopfdichtfläche meist über-, bei manchen Herstellern auch unterstehen. Diese Kammern wurden wegen der hohen Temperaturbelastung aus sehr zähem Stahl gefertigt. Ein einfaches Überplanen mit herkömmlichen Maschinen ergab durch die unterschiedlichen Materialien eine sehr schlechte Oberfläche im Wirbelkammerbereich, da die Planmaschinen nicht für die unterschiedlichen Materialien ausgelegt waren. Ferner wurde der Über- bzw. Unterstand nicht eingehalten. Wir als Motoreninstandsetzungsbetriebe verfügen über Aus- und Einbauwerkzeuge sowie über Fräswerkzeuge zur Nacharbeit der Kammersitze, um den geforderten Über- oder Unterstand wieder herzustellen.

Verzug der Ventilsitzringe
Ab einem Nachplanmaß von ca. 0,25mm empfehlen wir die Dichtheit der Ventile zum Ventilsitz zu prüfen bzw. nachzuarbeiten. Wir und unsere Motoreninstandsetzerkollegen sowie auch die Instandsetzungsbetriebe der Hersteller verfügen über die notwendigen technische Einrichtungen sowie das Fachpersonal, um all die oben genannten Parameter bei der Instandsetzung zu prüfen und einzuhalten.

Zum Nachweis haben wir vom größten europäischen freien Motoreninstandsetzungsbetrieb, der auch für einen deutschen Fahrzeughersteller Austauschmotore und Austauschzylinderköpfe fertigt, fertige Zylinderköpfe nachgemessen. Dabei haben wir einen Zylinderkopftyp ausgewählt, bei dem der Hersteller eine Nacharbeit untersagt. Wir haben mehrere Zylinderköpfe nachgemessen und eine Unterschreitung des Neumaßes von bis zu 0,60mm gemessen. Der Zylinderkopf wurde entsprechend obiger Ausführungen im Brennraum und in der Nockenwellengasse nachgearbeitet und ist somit unbedenklich einsatzfähig. Diesen Zylinderkopf haben wir von einem Sachverständigen nachmessen und das Ergebnis protokollieren lassen. Auf Wunsch kann das Messprotokoll angefordert werden.

Weiter haben wir Berechnungen zum Verdichtungsverhältnis, Kolbendruck, Kompressionsdruck sowie zur Kolbenseitenkraft durchgeführt, die auf Wunsch angefordert werden können. Ebenso können Sie technische Informationen der führenden Dichtungshersteller Reinz und Elring anfordern. Weiter können Auszüge aus einem Prospekt des Instandsetzungswerks von Volkswagen/Audi angefordert werden, aus dem hervorgeht, dass Zylinderköpfe, entgegen der Vorschrift, bei der Werksinstandsetzung doch nachgeplant werden.

Abschließend gilt unsere Empfehlung:

Trotz Vorschrift der Hersteller ist ein Nachplanen von 0,05-0,15mm ohne weitere Maßnahmen nicht nur möglich, sondern meist aus technischer Sicht nötig, um eine sichere Abdichtung zu gewährleisten. Ab einem Nacharbeitsmaß von 0,20mm sind obige Ausführungen zu prüfen und ein Motoreninstandsetzungsbetrieb mit der Überprüfung und der Nacharbeit zu beauftragen.

Es wird darauf hingewiesen, dass diese Ausführungen, sowohl fachliche als auch rechtliche, alleine auf der Sichtweise der Firma Wild – Motoren GmbH & Co. KG beruhen. Somit können keinerlei rechtliche Ansprüche auf dieser Grundlage geltend gemacht werden.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die alleinige Verantwortung für die Wiederverwendung von uns geplanter Zylinderköpfe beim einbauenden Betrieb liegt.

Diesbezüglich geben wir zwar Tipps und weisen teilweise auch auf obige Ausführungen hin, wenn wir viel planen müssen. Leider verfügen wir aber nicht über Herstellerangaben aller Motoren und Zylinderköpfe. Ferner können wir weder überprüfen, ob ein Zylinderkopf bereits geplant wurde, noch wie viel. Unsere Aufträge, Zylinderköpfe zu planen, führen wir stets fachgerecht aus. Im Zweifelsfall können Sie Minimalmaße angeben, die wir auf Wunsch für Sie nachprüfen können.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Wild- Motoren Team